Rede vom 22.07.2018 von Romy Stangl

 

Romy Stangl von der Städtegruppe München TERRE DES FEMMES - Menschenrechte für die Frau e.V., Mitfrau bei One Billion Rising München und Gründerin ihres eigenen Vereins "Signs of Hope". Sie engagiert sich im Bereich "Häusliche Gewalt an Frauen und Kindern". Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Prävention, Aufklärung und Nachsorge.

(Ein Video zur Rede ist auch hier zu finden)

 

Häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder

 

Artikel 1 Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. – wie sieht die Realität aus?

 

Stellt euch vor ihr entkommt, entflieht einer Situation aus eurem zu Hause, welche euch seelisch und körperlich Schmerzen zufügt, ausgelöst durch einen Menschen, der euch und euren Kindern nahe steht. Du stehst von jetzt auf gleich vor dem Nichts, mit nichts weiter bei dir als der Verantwortung für dein Leben, das deiner Kinder, der Verarbeitung des Schmerzes, der Demütigung. Kleine Augen schauen euch an und fragen: Mama warum sind wir weg von zu Hause? Ihr klopft an die Tür eines Frauenhauses, welches Schutz bietet, eine Chance in dieser Situation und könnt nicht die dringend benötigte Hilfe erhalten, weil es keinen Platz mehr gibt.

 

Ihr müsst zurück in ein Leben, welches eure Würde nimmt, euch eurer Rechte und der eurer Kinder beraubt. Das ist die Realität – welche man natürlich nicht aus einem bequemen Regierungsstuhl heraus sehen kann, da es ja gefühlt soweit weg ist – nicht die eigene Situation. Aber ihr die ihr euch Regierung nennt, habt eine Verantwortung geschenkt bekommen, die euch das Volk, das euch gewählt hat, gegeben hat. Es wird Zeit, dass ihr euch dessen bewusst werdet und Taten sprechen lasst anstatt nur leere Versprechungen zu geben.

 

Die Zahl der betroffenen Frauen und Kinder steigt kontinuierlich an, doch die Zahl der Frauenhausplätze wird weder angepasst, noch der zunehmende Beratungs- und Betreuungsbedarf ausreichend finanziert.

 

140000 Frauen werden jährlich Opfer körperlicher und sexueller Gewalt. 147 Frauen wurden 2017 in Deutschland von ihrem Partnern oder Ex-Partnern umgebracht. Jede vierte Frau in Deutschland wurde auch daheim schon geschlagen – Tendenz steigend. Die Dunkelziffer dürfte noch sehr viel höher liegen. Und die Frauenhäuser und Frauennotrufe werden dem Bedarf längst nicht gerecht.

 

Gemäß einer vom Sozialministerium selbst in Auftrag gegebenen Studie zur Bedarfsermittlung zum Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihrer Kinder in Bayern, gibt es in 40 Frauenhäusern in Bayern derzeit 367 Plätze für Frauen und 456 Plätze für Kinder.

 

Damit kommt 1 Frauenhausplatz auf 10.000 Einwohner. Die Not ist auch bei den Mitarbeitern in den Frauenhäusern spürbar, wenn sie für jede zweite schutzsuchende Frau mit ihren Kindern keinen Platz haben. Eine Situation die nicht länger tragbar ist. Frauenhäuser und Notrufe für weibliche Gewaltopfer sind chronisch unterfinanziert. Der reiche Freistaat Bayern muss für Frauen und Kinder in Not endlich Geld locker machen.

 

Ich floh vor 10 Jahren mit meinem Sohn aus einer Hölle der Gewalt und fand in einem Frauenhaus den Schutz und die Fürsorge und Unterstützung, die ich brauchte, um neu anfangen zu können. Schlimm genug, dass die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen steigt und es bewegt sich nur zögerlich etwas in der Prävention, Aufklärung und Nachsorge. Ich frage mich, wie ihr, die ihr euch Regierung nennt, überhaupt noch ruhig schlafen könnt. Tut etwas und redet nicht nur.

 

Es ist Zeit Zeichen der Hoffnung zu setzen, sich zu vereinen, nicht länger zu schweigen, Forderungen klar zu formulieren, wieder und wieder. Es ist Zeit, dass wir uns friedlich erheben und für unsere Rechte kämpfen. Denn nur gemeinsam, können wir eine Stimme werden, die gehört wird. Wir haben es in der Hand etwas zu bewegen.

 

Copyright: Romy Stangl